30.6.20

Nachtgedanken


Ruhlos pflügen die Gedanken
mir den Acker dieser Nacht.
Bleich der Mond fällt aus den Wolken,
hat mein Denken hell gemacht.

In den Bäumen vor dem Fenster
wo ein weißer Engel lag,
schlummert in des Kirschbaums Blüten
müd jetzt der vergang’ne Tag.

Ruhelos wie die Gedanken
fließt dahin der Wolken Band.
Hin und wieder blinken Sterne
himmelweit von Rand zu Rand.

Irgendwo in den Gemäuern
dieser Nacht wird es jetzt laut.
Hoffe, dass der weiße Engel
hier mal nach dem Rechten schaut.

© Lisa Nicolis

24.6.20

Unter den Linden


Die Linden blüh'n.
 Blattsilben flüstern
Geschichten,
herztief und junigrün.

Schon oft vernommen,
Geschichten, so lind,
so alt
wie Erde und Wind.

Immer noch neu,
wie alt ich auch bin.
Und doch
-auch vergänglich
wie Sommer
herbsthin.

Geschichten
mit blühenden Zauber
im tanzenden Licht,
das über
die Zweige bricht.

Entschweben jetzt,
ganz leise bleiben
im Blütentreiben,
um meinen Himmel zu finden.
Und ringsum
nur Linden,
nur Linden…

© Lisa Nicolis

Den schönsten Linden bin ich in diesem Sommer begegnet.
Dieses Grün im Licht der Morgensonne hatte ich noch nie vorher gesehen.
Oder ich schaute hin, ohne zu sehen. Was wir gerne immer wieder tun,
weil es uns nicht bewusst ist, wie vergänglich alles ist.

21.6.20

Die Wegwarte



Manchmal ruhn in meinem Garten
Elfenkinder, die da warten,
dass die Elfe, die beharrte,
rein zu schaun zur Wegewarte,
endlich, falls nicht wegverirrt,
wieder in Erscheinung schwirrt.

© Lisa Nicolis

In Erinnerung an meine liebe Ingrid, die die schönste Wegwarte der Welt in ihrem Garten hegte und pflegte. Vielleicht sieht dein Stolz von oben, meine liebe Ingrid, noch viel schöner aus.

13.6.20

Im Gehölz



Im Gehölz auf dunklen Pfaden
helle Hände der Dryaden
tragen Lichter in die Bäume
und den Zauber bunter Träume.

Hier im Wald möcht ich sie trinken,
Strahlen, die ins Laubwerk sinken,
weitgereist und Gott gesegnet,
bis es dunklen Abend regnet.

© Lisa Nicolis