30.12.23

Ein frohes und friedvolles Neues Jahr! Happy New Year!

Es kommt und sieht unschuldig drein
das Neue Jahr, so wie ein Kind.
Wenn's alt wird, wie wird es dann sein?
Die Antwort weiß wohl nur der Wind.

Lisa Nicolis

28.12.23

Demut


Durch meine Vorfahren
hab ich das Leben erreicht.
Ströme der Zeit,
die mich durchfließen,
tragen das Gen 
der Vergangenheit
und der Kreis 
wird sich so
vielleicht 
niemals schließen.

Mein Sein
-ein Echo 
aus ferner Zeit
mit einem Hauch
von Vergänglichkeit.

Viele Geschichten
flüstern sich leis 
durch meinen Geist,
in meiner Zelle ruht die Essenz,
die reist
schon millionen Jahren
durch Blut und Herz,
Geschichten von Leben,
von Kampf und von Schmerz,
von Liebe und Leid,
vom Wandel der Zeit,
von Gefahren
und von Beständigkeit.

So weben sich
Fäden der Zeit
in mir
und um mich herum
noch im Heut.
Bin ein Teil
eines ew'gen Geflechts,
des Verwebens.
Millionen von Ahnen bestimmen 
den Lauf meines Lebens.

Lisa Nicolis

27.12.23

Was ist Leben?



Ein Wimpernschlag in der Ewigkeit,
ein lautloses Pochen des Herzens
auf endlosen Reisen 
durchs All.

Ein Lächeln, 
das zu den Sternen eilt,
unbemerkt in ihr Strahlen weilt
und im Fall
der Sternschnuppe,
die sich ins Nichts bewegt.

Und keine Erinnerung,
wenn keine Zeit,
die Zeit entstaubt,
die sich darüber legt.

Lisa Nicolis

Omi, sagte meine Enkelin eines Tages, ich verstehe das nicht. Du bist der Clown der Familie, spielst uns Streiche, bringst uns zum Lachen, Bei dir gibt's scheinbar immer gute Laune, doch deine Gedichte sind meist traurig, sarkastisch oder klingen recht depressiv.
Eine Psychologin würde sofort mit der Bemerkung einspringen, mein Lachen sei nur eine Maske, um die Traurigkeit in der Seele zu überspielen.
Jedenfalls, wenn mir ein tiefgründiges Gedicht durch die  graue Masse geistert, bin ich nicht unbedingt traurig, oder kritisch, oder was auch immer. Die Worte sind einfach da. Ob es Bruchstücke der todkranken Seele sind, ist mir so nicht bewusst. Schlechte Erlebnisse mögen uns prägen und davon hatte ich genug, aber eigentlich ist es mir wurscht. Ich lasse mich davon nicht umbringen und schon längst nicht die Laune verderben. Das sollte auch der Leser nicht. Also, lest lieber die Tageszeitung!😁

25.12.23

Frohes Fest!


Missverständnis

Worte schweben im weltlichen Raum,
Missverständnis wiegt so schwer,
traurige Augen suchen Verstehen.

In der Stille suchen wir Wärme, 
eine Zuflucht in kalten Zeiten, 
dankbar für jeden Funken Licht.

Lisa Nicolis

24.12.23

Der kleine Wicht

 
Ein kleiner Wicht,
ganz schlau und still,
wünscht hier für dich,
was er auch will:

'nen schönen und besond'ren Tag,
der dir mit Freude läg' zu Füßen,
und wie auch er es gerne mag,
das Glück würde uns alle grüßen.

Lisa Nicolis

18.12.23

Schneeträume

Vorbei am Glanz der Großstadt

auf frostknirschenden Pfaden

möcht wieder ich

den Winter schmecken.

Gern würde ich

durch meine Haut

den Kuss der Sterne atmen

und diesem Kind in mir

dezemberweiße

Träume schenken.

© Lisa Nicolis

17.12.23

Einen schönen 3. Advent!


Auf der Suche

Ich suche nach Worten,
die mich bewegen.
Die mir helfen
das Licht zu leben.
Die mir Hoffnung,
Trost und Freude geben.

Ich finde sie nicht
in den großen Fragen,
in ihrem Sinn, 
den sie in sich tragen
in all den Nächten und Tagen.

Ich finde sie
in den kleinen Dingen,
in einem Lächeln,
einen Blick, einem Gruß.
In einem Lied,
das die Sinne singen,
in einem Traum,
der mich erfüllt.
in einem Ziel,
das die Sehnsucht stillt,

Ich finde sie in mir,
in deiner Nähe,
in deiner Stimme,
in deinem Lachen,
deinem Weinen,
deinem Sein
und auf allen Wegen,
die ich mit dir gehe.

Lisa Nicolis

16.12.23

E, e, e jetzt gibt es Eis und Schnee


Noch gestern zog
ein dunkles Wolkenheer
mit nassen Füßen durch die Stadt.
Die Wege wurden spiegelglatt
und mancher Wagen kam
in „Kreisverkehr“.

Dann rieselte
der Sternenstaub, so leis,
wie Schnee nur leise rieseln kann.
Der knirscht dich für das Treten an,
für Schritte, die du tust
in Angst und Schweiß.

Der Weihnachtsmarkt,
der lockt mit Wohlgeruch.
Ich möchte liebend gerne hin,
weil ich für Chinapfanne bin.
Doch erst gibts „Stäbchen“
für den Schienbeinbruch.

©Lisa Nicolis


Das war vor Jahren.

15.12.23

Schneezeit


Glitzernde Sterne
vom Himmel jetzt bringen
göttlichgeborene
Ruh’.

Watteverpackte
Alleen im Park sind
leicht glitzerverhangen
im Nu.

Stadtstraßenweit sind
die duftenden Tannen
schon buntsternenlichter-
vernetzt.

Weihnacht und Neujahr,,,
mit Hoffnung im Herzen,
erfreuen die Seele
uns jetzt.

© Lisa Nicolis

14.12.23

Sowas wie Gebet


Blumen, blüht in dieser Nacht!
Sternhimmel, zeig deine Pracht!
Liebe, strahl in Ewigkeit,
bringe Ruh in unsre Zeit!

Herzen sollen Wärme spüren,
Hände sich freundlich berühren.
Trauer kann vorübergehen,
wenn wir Menschen uns verstehen.

Lisa Nicolis

13.12.23

Winterzauber



Winterzauber, 
Silbermond,
Sterne funkeln,
Stille wohnt
drin im winterlichen Heut.

Alles märchenhaft verschneit,
Die Alleen -ein Spitzenband.
Kühle Klarheit Sinn umgarnt,
eis'ge Pracht,
festlich und still
-nur Mage,
soviel ich will.

Lisa Nicolis

9.12.23

KI

 Wo sind meine,
wo sind deine,
Bilder, Verse,
Kreationen?
Wir sind träge,
wir sind müde,
lassen KI drüber thronen.
Überall nur ihr Gesicht,
unsre gibt es bald schon nicht.
Trinken nur aus ihrer Quelle
und vergessen die der Seele.

Lisa Nicolis

Vor Monaten hatte ich auf meinem neuen Laptop eine eingebaute KI entdeckt. Da ging mir ein Bild auf, woher die vielen ultraschönen Bilder im Internet stammen, die sich wie eine Epidemie verbreiteten. Natürlich gab ich auch die paar Worte ein, die man braucht, um ein Bild zu generieren. Ich war hin und weg von der Schönheit dieser Bilder. Ich konnte nicht genug davon haben. Habe mir davon eine Menge heruntergeladen und auch in meinen Bildern verarbeitet.
Eines Tages saß mir der Schalk im Nacken, meine spezielle Gemütsverfassung, und ich bat KI Trump mit Obama tanzen zu lassen, später Scholz mit Honecker und lachte mich kaputt.
Nach einigen Tagen hatte ich mich bis zu einem Widerwillen mit diesem ominösen Spiel gebracht, Und es wurde mir plötzlich klar, wie sehr ich mich abhängig mache von diesem Zeug. Bald wird alles nach KI aussehen, sich nach KI anhören und anfühlen. Wir treten alle in diese Falle und ich kann mir vorstellen, dass es sehr viele Menschen geben wird, die sehr unglücklich werden, wenn ihnen schlecht Gesinnte eins auswischen wollen. Denn was bis jetzt mit bösen Worten getan wurde, das wird ab jetzt mit Bildern anschaulicher angestellt.
Ich werde mich wahrscheinlich auch nicht immer von KI lösen können, aber ich verspreche mir, ich werde mich hüten, ihr komplett zu verfallen. Ich habe sie ein langes Leben lang nicht gebraucht, also werde ich weiterhin mir selbst mehr vertrauen.

8.12.23

Einen schönen 2. Advent!


 „Winterzauber“

Silbern strahlt der Mond durch alle Straßen,

gläsern und so fahl ist sein Gesicht.

Schaut die Sterne, die in Bäumen saßen,

kleidet sie in glimmerbuntes Licht.

Kälte knirscht schon weiß unter den Sohlen,

und der Atem schwirrt ins Dunkle hin,

wie ein Teil der Seele, die verloren

Halt sucht unterm kühlen Baldachin.

Auf den märchenhaften weißen Wegen

schwebt ein Zauber, den ein Hauch durchweht,

wenn die Engel Leichentücher weben,

für ein Wesen, das dem Zauber still entgeht.

© Lisa Nicolis

Himmel auf Erden



Der Himmel beginnt
am Boden,
hier unten,
nicht oben.
Und Himmel ist da,
wo es Liebe gibt
und sowieso
nicht im siebenten
Irgendwo,
wo kaltes Flimmern überwiegt,
nicht in Höhen,
aus denen man fällt,
sondern in Herztiefen
von meiner
und deiner Welt.

Lisa Nicolis

Der Schneemann


Wenn Stille herrscht im Sternenhain,
im Dunst des Winterabends, zieht
Erinn'rung leis sich seelenein,
wo noch die Lebenswärme glüht.

Auf Silberwegen -Illusion
aus stillen Tiefen, bittersüß.
Voll nun das Herz von Emotion
vom Einst, dem fernen Paradies.

Entglitten mir im Strom der Zeit
verlor'nes Glück, vom Winde verweht...
Doch ist das schon so endlos weit.
Freu dich, 
solang der Schneemann steht.

Lisa Nicolis


7.12.23

Winter am See


Der Mond ist in den See gefallen.
Das Wasser saugt es auf, das Licht.
Ans Ufer wellt es sich kristallen,
wo sacht der nasse Spiegel bricht.

Gespenstisch steigen Nebelschwaden
die Böschung aufwärts, hoch zum Strand.
Verirren sich wie Traumplejaden
und lassen Glimmerspur’n im Sand.

Die Nacht liegt im Gezweig der Wälder
und hüllt das Land in tiefe Ruh.
Das Brot im satten Leib der Felder,
träumt jetzt schon seiner Reife zu.

© Lisa Nicolici

 

4.12.23

Der Schutzengel

 


                       Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
                       und er verarmte mir in den Armen
                       und wurde klein, und ich wurde groß:
                       und auf einmal war ich das Erbarmen,
                       und er eine zitternde Bitte bloß.

                       Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, –
                       und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
                       er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
                       und wir haben langsam einander erkannt...

                       Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
                       kann er frei seine Flügel entfalten
                       und die Stille der Sterne durchspalten, –
                       denn er muss meiner einsamen Nacht
                       nicht mehr die ängstlichen Hände halten –
                       seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.

                       Rainer Maria Rilke

Ich krame die Bilder aus alten Tagen hervor, weil ich meinen Schutzengel ziehen lassen musste und die Lupe mir auch nichts mehr bringt. Schnee auf der Welt und Schnee in meinen Augen.

3.12.23

Es schneit

 


Es schneit nun ganz leis vor sich hin,
der Himmel verstreut all die Sterne.
Die Wolken vergaßen die Ferne
und hängen jetzt über Berlin.

Das Wunder erweckt die Gefühle
von Kindsein, von Demut, von Freud.
Ich lebe den Zauber im Heut,
wenn Sternglitzern schmückt
diese Stille.

Lisa Nicolis

1.12.23

Einen schönen 1. Advent und eine fröhliche Adventszeit!


Advent

Wie wird das Leben doch
zu einem leeren Haus,
wo nur die Wände noch Geschichten leben,
gerahmte Augen starr dein Sein erfassen,
der Klinke keine mehr die Hände geben,
die Füße deiner Stühle,
eingeschlafen,
sich gehen lassen
und immerzu die vielen Türen
nur noch nach draußen führen.

Als wär das Leben wieder voll,
versuche ich mit Eifer,
die Fenster zu beleben
und mit den Plastikbaum,
wie ein geliebtes Wesen,
mit Gottes Segen.

Ich freue mich, oder ich tu nur so,
dass dann mein Haus erstrahlt,
als würd’s etwas zum Feiern geben
und sich der Tisch anfühlt,
als sei er eingerahmt
mit Lust und Leben.

© Lisa Nicolis




 

26.10.23

Blättertanz

Da seh ich wehmutsvoll

den bunten Blättern nach,

wie sie der Wind sich holt

und alle Bäume kühl entkleidet.

Wie sich das Sterben,

das Verderben

im frohen Reigen wiegt;

wie all das rost’ge Rascheln hier

auch keinen Todestanz vollzieht.

Es lebt das Lied

von einem neuen Werden.


© Lisa Nicolis

25.10.23

Uhrwerk

 


Wie viel Uhr ist es?

Schon viel zu viel

und das Gewicht

hängt wie überreif

in den Seilen.

Der Schlüssel

ging verloren,

das Mobile

pendelt,

Perpetuum

-ungewiss.

©Lisa Nicolis



24.10.23

Herbstgedanken


 Wind wühlt mit kalten Krallen
in müden Blätterscherben,
flatternd die gold'ne Mähne ,
wenn er den Herbst durchzieht.

Aus grauen Fernen fallen
ganz leise Wolkenperlen.
Manch eine wird zur Träne,
die am Gesicht verglüht.

Es wird wohl im Geheimen
Gram durch die Tage schleichen.
Einsamkeit ruht dann bieder
stillschweigend am Kamin.

Ein neues Blüh'n wird keimen,
die Nächte südwärts weichen,
Halt' dann dem Leben wieder
die Hände hoffend hin.

© Lisa Nicolis

23.10.23

Herbstspaziergang


die Schuhe schleifen gleichmütig
über das Pflaster 
die Jacke schlenkert mit
mit Fingernspitzgefühl
und es ist kühl

die Hose schickt sich an
modisch zu kneifen
während die Schalenden
verloren flatternd
um sich greifen

die Brille schweigt sich aus
über das alles
was sie sieht
die Tasche weiß schon
was ihr blüht

und nur die Mütze überhaupt
blickt mal nach links
blickt mal nach rechts
auch 
ohne etwas zu begreifen

Lisa Nicolis

Während die Handwerker endlich, nach zwei Monaten, mein schnöde verlassenes, umzubauendes Bad wieder in Angriff genommen haben, kommt keine größere Romantik auf. 

22.10.23

Stilbruch zum Sonntag

                  zweierlei handzeichen

                  ich bekreuzige mich
                  vor jeder kirche
                  ich bezwetschkige mich
                  vor jedem obstgarten
                  wie ich ersteres tue
                  weiß jeder katholik
                  wie ich letzteres tue
                  ich allein

                  Ernst Jandl

interpretation

ich berilke mich
vor jedem Rilke
ich bejandle mich
vor jedem Jandl
wie ich ersteres tue
weiß nur ich
wie ich letzteres tue
auch ich nicht

Lisa Nicolis

21.10.23

Einer hat dich gewollt

22-10-23-pngn

                  Daraus, dass Einer dich einmal gewollt hat,
                  weiß ich, dass wir dich wollen dürfen.
                  Wenn wir auch alle Tiefen verwürfen:
                  wenn ein Gebirge Gold hat
                  und keiner es mehr ergraben mag,
                  trägt es einmal der Fluss zutag,
                  der in die Stille der Steine greift,
                  der vollen.

                  Rainer Maria Rilke

20.10.23

Ich will dich immer spiegeln


                  Ich will dich immer spiegeln in ganzer Gestalt,
                  und will niemals blind sein oder zu alt,
                  um dein schweres schwankendes Bild zu halten.
                  Ich will mich entfalten.
                  Nirgends will ich gebogen bleiben,
                  denn dort bin ich gelogen, wo ich gebogen bin.
                  Und ich will meinen Sinn
                  wahr vor dir. Ich will mich beschreiben
                  wie ein Bild das ich sah,
                  lange und nah,
                  wie ein Wort, 
                  das ich begriff,
                  wie meinen täglichen Krug,
                  wie meiner Mutter Gesicht,
                  wie ein Schiff,
                  das mich trug
                  durch den tödlichsten Sturm.

Rainer Maria Rilke

18.10.23

Lehnen beide im Abendgarten

                  Lehnen im Abendgarten beide, 
                  lauschen lange nach irgendwo.
                 
"Du hast Hände wie weiße Seide..."
                  Und da staunt sie: "Du sagst das so..."

                  Etwas ist in den Garten getreten.
                  und das Gitter hat nicht geknarrt,
                  und die Rosen in allen Beeten
                  beben vor seiner Gegenwart.

                      Rainer Maria Rilke

17.10.23

Ich war in ferner Fremde


                  Ich war in ferner Fremde Kind
                  bis ich mich arm und zart und blind –
                  aus meinem Schämen schlich;
                  ich warte hinter Wald und Wind
                  gewiss schon lang auf mich.

                  Ich bin allein und weit vom Haus
                  und sinne still: wie seh ich aus?
                  Fragt jemand, wer ich sei?
              …  Gott, ich war jung und
                  ich war blond
                  und habe ein Gebet gekonnt
                  und ging gewiss umsonst umsonnt
                  und fremd an mir vorbei.
         
                      Rainer Maria Rilke

16.10.23

Die Schönheit wächst


                   Fürchte dich nicht, sind die Astern auch alt,
                   streut der Sturm auch den welkenden Wald
                   in den Gleichmut des Sees,
                   – die Schönheit wächst aus der engen Gestalt;
                   sie wurde reif und mit milder Gewalt
                   zerbricht sie das alte Gefäß.

                   Sie kommt aus den Bäumen
                   in mich und in dich,
                   nicht um zu ruh'n;
                   der Sommer ward ihr zu feierlich
                   aus vollen Früchten flüchtet sie sich
                   und steigt aus betäubenden Träumen
                   arm ins tägliche Tun.

                        Rainer Maria Rilke

15.10.23

Herbsttag


                   Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
                   Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren
                   und auf den Fluren lass die Winde los.

                   Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
                   Gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
                   dränge sie zur Vollendung hin und jage
                   die letzte Süße in den schweren Wein.

                   Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
                   Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
                   wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
                   und wird in den Alleen hin und her
                   unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

                   Rainer Maria Rilke

14.10.23

Herbst


              Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
              als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
              sie fallen mit verneinender Gebärde.

              Und in den Nächten fällt die schwere Erde
              aus allen Sternen in die Einsamkeit.

              Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
              Und sieh dir andre an: es ist in allen.

              Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
              unendlich sanft in seinen Händen hält.

                 Rainer Maria Rilke

10.10.23

Ratschläge


Ach, wie ist’s so leicht und toll,

andern Ratschläge zu geben.

Schwierig wird’s nur, wenn man soll

aufräumen im eignen Leben.

© Lisa Nicolis

9.10.23

Nebel

Nebel hat sich den Morgen genommen,

hat Licht und Schatten verschluckt,

wie ein Gefühl, in dem, nachtbenommen,

der letzte Alptraum noch spukt.

Land nicht in Sicht, keine Welt mehr da,

unter mir zweigt der Weg ganz allein

in schummrige Bahnen zu fern von nah.

Irgendwo muss ein Ziel wohl sein.

© Lisa Nicolis

7.10.23

Alt sind die Gärten


 Alt sind die Gärten.
Schon windzerfetzt
steht der Sommer
am Rand seiner Zeit.
Rost hat sich wieder
ins Laub gesetzt
und der Herbst
streut sich Perlen
ins Haar.

© Lisa Nicolis

6.10.23

Herbstabend



Die Sonnenstunden biegen erdrum
aus der Stadt
und alle Straßen laufen bunt davon.
Paar Fenster blinzeln müde schon
und sonnensatt,
die Bäume haben einen rost'gen Ton.

Der Abend schleicht recht kühl
von irgendwo hervor,
unter der Kuscheldecke liegt's sich warm.
Während der Herbst sich nachts
ersinnt neues Dekor,
zieht oben rufend schrill ein Kranichschwarm.

 Lisa Nicolis

1.10.23

Am Bach

 

An einem Bach möcht ich so gern sein Rauschen,
den klaren Sprung von Stein zu Stein belauschen
und so mein Sinnesrauschen übertönen,
dem müden Ton des Alltags mich entwöhnen.

© Lisa Nicolis

29.9.23

Spaziergang

Baumkronen ritzen den

schwebenden Wolkenbausch,

während ihr Zauber

am Boden, farbenfroh,

im gleichen Winde

verrauscht,

der Farben

in meine Wangen weht

und den Herbst

in meine Augen

zaubert.

©Lisa Nicolis

24.9.23

Herbstmorgen

Immer heller mal'n die Stunden

aus des Morgens kühlen Raum,

färben farbenmüd, benebelt,

schon den nahen Waldessaum.

Längs der Pfade flüchten Schatten

in den blattgeschmückten See.

Ockern welken Gräsermatten

und es riecht nach Erdennäh.

© Lisa Nicolis

18.9.23

Sommerende

Wie blut’ge Tränen

sommerts noch

im wilden Rosenstrauch.

Die Wolken zeichnen schon

die Horizonte näher,

die Tage schenken Zeit

an jede Nacht.

Nur irgendwie ist

Wehmut da,

denn jeder Abschied,

den ich lebe,

ist auch ein wenig

Abschied von mir selbst.

© Lisa Nicolis

17.9.23

Manchmal


Meist sind sie rosarot,

die Bausteine in meinem Innerstes.

Im Alltäglichen meines Ichs

verflimmert Hoffnung himmelblau

im Tief der Augen.

Dann lässt das Leben 

manchmal alles 

im Faltengraben meines Mundes 

 zu bitt'rem Grau zerfließen.

© Lisa Nicolis

27.8.23

Es liegt Frieden in der Luft


Manchmal sind die Blätter stumm,
auch der Wind schläft im Geäst
und die Luft ist märchenhaft
und duftig still.
Es liegt Frieden ringsherum,
's keimt der Funke, den du sähst
und der alle Welt
mit Liebe wärmen will.

Es ist eitel Sonnenschein,
voll Geheimnis und Magie
und der Wind schläft weiter
friedlich im Geäst.
Märchenhaft könnt's immer sein,
Not und Ängste gäb es nie,
gäb's den Sturm nicht,
der den Wind nicht 
schlafen lässt.

© Lisa Nicolis