31.7.25

Remember



Dein Name steht
im Raum,
nur das Gesicht dazu
find ich nicht mehr
im Staub
des Kopfarchivs.

Wortfetzen,
Sonnenuntergang,
der Abend
damals
schemenhaft,
und stumm...

Dann wirst du doch
zu laut
in meinem Herzen.

© Lisa Nicolis


30.7.25

Ich frage mal


Wenn ich Meer und Himmel sehe,
wird mein Denken dann auch blau?
Krieg ich Grünspan in der Seele,
wenn ich lange Bäume schau?

***
Wenn ich morgens Kaffee trinke,
färben sich die Zellen braun?
Wenn ich mal vor Schmerzen hinke,
werd ich da auch zackig schaun?

***
Hab ich Kopfweh mal am Morgen,
nehm ich Pill'n, dass ich mich rette.
Wird das Wohlsein, das ich borge,
glatt und rund wie die Tablette?

***
Gibt es Zoff mal hin und wieder
mit dem lieben Ehemann,
schreit ihn heimlich, nicht gelinder,
auch die Galle bitter an?

***
Oh, heut laufe ich mal wieder
über von den dummen Fragen,
doch die Antwort  krieg ich lieber
irgendwann an anderen Tagen.

Lisa Nicolis

29.7.25

Abendspaziergang


Aus dem Osten steigt der Abend,
überflutend mild die Stille.
Nur im Nichts zirpt eine Grille.
Lau umschlingt seine Mantille

alles Sein. Die Karriolen
sich am Himmel überholen.
Leuchtkäfer mit Lichtkapriolen
ihren Liebsten Nachricht blinken.

Möcht im Gräserduft versinken,
mich mit Tauperlen betrinken,
Sterne dir vom Himmel pflücken,
dich mit Marsrubinen schmücken.

Wollen wir der Welt entrücken,
oder lauschen wir nur Stille,
hinter rosaroter Brille,
zwischen Weg’rich und Kamille,
uns an diesem Schweigen labend?

©Lisa Nicolis

28.7.25

Versverarmen


Vom Rilke der Armen verarme ich 
langsam zum Jandl der Armen
und bei Alarmen der Armeen
der Lyrikgendarmen
bitte ich mit einem
reuevollen warmen
Umarmen
um Erbarmen.

Lisa Nicolis

27.7.25

Sonntagmorgen



Ich liege mich in den Morgen hinein,
die Luft ist durchdrungen von Traum,
ich labe mich an dem Bett, meinem Heim,
an der Enge im urtrauten Raum.

Kein Fernsehn, auch keine Nachricht, so noch
kein Grauen, kein Krieg, keine Not.
Ich freue mich auch übers Sommerloch
und bin dankbar fürs tägliche Brot.

Ach, blieb immer nur dieses Sonntagsgefühl,
('s Kuscheldeckchen und's warme Bett)
und das Leben ohne Trug und Kalkül
über'n Tag hin. Das wäre nett!

Lisa Nicolis




26.7.25

Betreutes Wohnen

 

In grünillustrer Runde
zerfleddert sich das Kopfgespinnst
der Bäume vor dem Fenster:
-wer haust in diesem Labyrinth,
-wer schon aus all den Zimmern ging
-und wer gegangen wurde,
-wie viele Seelen wandeln hier,
-und wie viele Gespenster
beeinflussen den Alltag mir?

Ja, so ein Alteleutehaus
scheint selbst 
den lieben Bäumen draus
ein Graus.

Lisa Nicolis

24.7.25

zerregnete Worte




ich denk mir
 einen tollen Text 
hier auf das Blatt 
während der Stift sich 
stumpf  verkritzelt hat
die Wortbrocken 
leicht  transparent 
den Halt verlieren
Moränen gleich
die man nie zügeln kann
die aberieren

wie diese Wolken 
die genüsslich 
 Blau des Himmels 
naschen 
und sich die Bäuche 
voll von Sonne schlagen 
während die Ausläufer
in Unschuld sich 
die Hände waschen 
und klagen 
und grollen 
hinterrücks im Wind
mir diesen Text 
in Wortscherben zerregnen
bis nur die Worte hier 
noch lesbar sind


Lisa Nicolis

22.7.25

Regentage

 


An manchen Tagen
ist‘s eine andre Welt,
die du bekommst.
Als wäre man ihr fremd
und‘s wäre auch die Atemluft
viel teurer noch als sonst.
Selbst die Gedanken sind mir schwer,
die ich dann mit mir trage.

Was hätt‘ ich alles werden können,
und tun und lassen sollen,
was ich nicht bin, was ich nicht tu,
was ich vollendet habe.
Ist voller Fragen diese Luft,
es ist so wenig Zeit
und Wolken überall
und lauter Regentage.


Lisa Nicolis

19.7.25

Weiße Nacht



Hab den Abend mir in die Seele geschaut
und jetzt wimmelt’s von Sternen in mir.
All ihr Schweigen liegt samten und urvertraut
um den Schultern mir jetzt und hier.

Es ist still, nur meine Gedanken sind laut
und es wird eine hellweiße Nacht,
weil der Schlaf mit mir nun den Abend schaut
und der Vollmond vom Himmel lacht.


© Lisa Nicolis

16.7.25

Der Baum


Entschuldige, Baum,
ich bin wie im Traum
auf deinen Schatten getreten.
Nun hast du den meinen versteckt,
mich verzaubert, betört,
dass selbst dieser 
dunkle Fleck auf der Seele
in deiner Herrlichkeit
sich verlor.

© Lisa Nicolis

Die Zeit


Die Zeit ist nicht alt.
Sie hat kein Gesicht.
Die Zeit ist nicht schnell.
Sie hat kein Gewicht.

Die Zeit hat nicht Zeit.
Sie hat keinen Raum.
Die Zeit ist nicht bunt.
Sie lebt keinen Traum.

Die Zeit nichts verspricht.
Die Zeit nichts vergisst.
Die Zeit nicht vergeht.
Sie wird nicht, sie ist.

Ist messbar auch nicht.
Vergebens die Uhr.
Die zeigt uns doch nur
der Vergänglichkeit Spur.

© Lisa Nicolis

15.7.25

Das Zitteraalquarium


Zitteraal
zitteraalt
Zitteraalin
im Zitteraalquarium

Zeitzeugen
zertifizieren
Zitteraalität

Zitteraale 
&
Zitteraalinnen
zelebrieren
zitteraalige
zitterenganliegende
Zitteraa(d)lige

Lisa Nicolis

14.7.25

Grün und blau


Morgens haftet 
der erste Blick an die 
winkenden Baumkronen am 
Fenster. Das Grün tönt 
meine Augäpfel,
fließt in mein Innerstes,
durchzieht mein Blut,
färbelt meine Zellen
und ich 
grüne in das 
Grün und Blau 
des Alltags 
hinein.

Lisa Nicolis

Lass uns träumen


Lass uns träumen,
dass unsre Sorgen
transparentes Flügelschlagen
wären,
ein Hauch im Sonnenwind,
der sich
als Sternenstaub
auf Nebelpfade
der Milchstrasse
begibt,
ganz weit entfernt…
und erdbefreit…


Lis© Nicolis

13.7.25

Da stehen

 



Da stehen, ist in Ordnung.
Dumm dastehen, weniger.
Wie stehe ich dann da,
wenn ich wieder nur da stehe,
ohne gut dazustehen?


© Lisa Nicolis

12.7.25

Abends




Wieder spinn ich bunte Fäden
und dann jeden
die Gedanken mir verweben
zu `nem wohlig frischen Tuch,
voller blumigem Geruch.

-Duftttabak und wilde Kräuter...
Traumverhangen, sachte streut er,
in versunk'ner Sonne Rahmen,
gold'ne Samen
dieser seichte Abendschimmer.

Andächtig und still, wie immer,
schöpf aus himmelsdunklem Blau
ich ein ew'ges Sternenahnen
hinter Großstadtlichterbahnen,
sitzend hier im Erdengarten,
wo die warmen Nächte warten,
dass ein Windeshauch sie kühlt.

Lisa Nicolis

 

11.7.25

Alltag

 


„Komm, Alltag, nimm mich an der Hand
und gehen wir spazieren.
Paar Schritte weiter übers Feld,
dahin lass dich entführen.

Zum Rummelplatz, da möchte ich hin,
wo ich sonst nicht so gerne bin.
Doch heute lass dich führen.
Komm, beide gehen wir aus 
und schnurstracks, lieber Alltag,
sind wir im Spiegelhaus.

Siehst du, wieviel Gesichter an einem Alltag sind?“
„Dann führ mich öfter aus, mein langweiliges Kind!“

Lisa Nicolis

10.7.25

Fernweh



Irgendwie braucht mein Träumen
viel Himmel und See.
Klein ist mein Platz
hier im Raum,
wo ich steh.
Bau mir dann Brücken,
bis weithin
zum Horizont,
wo meiner Sehnsucht
Erfüllung wohl wohnt.

© Lisa Nicolis

9.7.25

Die Entscheidung



Wie brichst du dich entzwei,
wenn deine Schmerzen toben,
doch andre lauter sind?

Auf welche Wunden
legst du deine Hände?
Auf fremde?
Wenn deine näher sind?

Bist du dem Gott,
bist du dir selber teurer?
Oder sind nebenan
die Schmerzen 
ungeheurer?

Wie brichst du dich entzwei,
dass du ein Ganzes bleibst,
obwohl du dich zu Scherben leidest?

Wie wiegst du Leiden auf,
ohne dass du’s Gewissen
in die Enge treibst?

Dann ebbt durch
deine Hände
dieses Klagen.
Und ein Remedium für dich
ist Antwort auf die Fragen.


Lisa Nicolis

Wenn jemand um Hilfe schreit und du selber Hilfe brauchst, was machst du dann?

8.7.25

Agoraphobisches


Als heut die Straße sich
in meinem Blick verfing
und freudig,
nach so langer Zeit,
auch meinen Herzschlag tönte,
ließ ich mich
heldenhaft und sachte
von ihr
die Häuser lang begleiten
und suhlte mich
in ihrer sonn'gen Endlichkeit,
bis sie mich um die Ecke brachte.
 

© Lisa Nicolis

7.7.25

Das Lächeln



Komm, kannst du mir bloß
ein Lächeln vergeben?
Und wäre es falsch,
ich hätt nichts dagegen.

Denn wenn du mir lächelst,
dann bist du mir nah.
Kein Lächeln bedeutet
–es ist keiner mehr da…

Lisa Nicolis

6.7.25

Julischwüle

 


Im Mond hat sich ein Stern verfangen,
`ne Wolke sitzt am Schornstein fest.
Im Kirchturm Glocken müd verklangen,
da baut ein Flugzeug jetzt ein Nest.

Ein Leuchten springt aus allen Fenstern,
ein Strahl bricht grad sich das Genick.
Das Martinshorn, beliebt bei Gangstern,
blöckt in die Stille einen Knick.

Die Julinacht ist schweißgebadet,
die Luft steht wassrig ringsherum,
da schwimmt ein Fisch ganz unbeschadet
vorbei. Jetzt wird es mir zu dumm.

Die Nacht steckt feucht in allen Ecken,
`ne Lampe spuckt den Hof voll Licht.
Der Irrwitz spielt mit mir Verstecken,
in diesem surreal'n Gedicht.


© Lisa Nicolis

5.7.25

Aufbäumen



Auf dem Weg zum Verständnis
-kein Ziel in Sicht.
Der Ärger streut seine Stolpersteine
und ich stolpere ins Aufbäumen,
bis ich aus allen Wolken falle.
Der Ahorn vor meinem Fenster nur
menschelt vor sich hin.
Auf Bäumen ist Verlass.

Lisa Nicolis

3.7.25

Wer ihn nicht kennt, soll ihn nicht suchen


Zwölfhundert Stundenkilometer sind's durch den Äther.
Sie reißen die Tür auf (ja, wie sind denn die drauf?)
und schubsen mich in die TropopAUse.
Jadann, Lisa, sause, so sause 
durch die Tro- oh- oh- posphäre,
kollidiere mit all dem A- ah- ah- rgon
und dem O- oh- oh- zon
- eine Chimäre 
vorbei an dem Stoff, an dem du 
fast ersti- ick- ick- ickst,
☁☁ bin benebelt,
verwirrt mein Geist,
❄❄❄ mein Blut ist vereist.❄❄❄
Verflixt!

Am Ende wirds nett,
ich lande im Bett.
Und prompt 
staunt alle Welt,
woher das Empfinden kommt,
dass man 
von Himmel fällt?

Mein jämmerliches Gewinsel,
ich Einfallpinsel, 
verrät allen doch
-es ist ein 
Lagerungsschwindel.

L A G E R U N G S S C H W I N D E L
L A G E R U N G S S C H W I N D E L
L A G E R U N G S S C H W I N D E L

***
Merke, mein Freund,
darfst deinen besten Feind 
beschimpfen,
doch unmenschlich wär es,
ihm einen Lagerungsschwindel 
zu wünschen.
***
Wärs nicht so peinlich würde ich mit Lisa Nicolis zeichnen.


Okay, so fühlt es sich an, bei einem Lagerungsschwindel, als ob man aus 10.000 Metern fällt, ohne Fallschirm, ohne Engelsflügeln und ohne marypoppinsschen Eigenschaften. Und dazu mit Flugangst. 
Dann ist plötzlich diese Frau Doktor da (habe wahrscheinlich zu laut geschrien, als die Lage schwindelig war😂). Sie setzt mich auf die Mitte der Bettkante, nimmt mein Gesicht zwischen ihre Hände, dreht meinen Kopf leicht nach links und schubst mich nach rechts mit aller Kraft auf die Bettkante (nachdem sie  vorher Aufklärung geleistet hatte und Ermutigung zum Masochismus gab). Lagerungsschwindelbewältigungstherapie. 
Ich lande gefühlsmäßig nicht auf der Bettkante, sondern in der Hölle und von dort wieder in alle sonstigen Sphären. Ich rufe den lieben Gott an und bitte lautstark um Hilfe. Erst nach viel zu vielen Sekunden werde ich wieder eins mit dem Bettrand. Dann das gleiche Ritual, nur in die entgegengesetzte Richtung. Mit dem gleichen Horror in den Knochen. Sie schubst mich immer wieder aus dem Flugzeug (damit sich die Kügelchen im Ohr zurechtkugeln) und wenn ich aus dem Koma erwache, kriege ich jetzt jedesmal einen Lachanfall. Ich stelle mir dann vor, mit welch irren Blick ich die Frau Doktor wohl anstarre, wenn ich grade bettrandig lagerschwindele. Das Geschubse ist eigentlich lustig. Nur wenn ich am Bettrand lande, kommt ca 15 Sekunden lang diese ekelhafte Schwindel. Wenn der Schwindel aber verschwindet, dann verschwindelt er auch und ich darf auch wieder lachen.
Ich soll das nun jeden Tag selbst, unaufgefordert, freiwillig wiederholen.
Leider wird dieser Lagerungsschwindel in gewissen Abständen wiederkehren, sagt sie kleinlaut.
Ergo, ich soll diesen gegenwärtigen Lagerungsschwindel wach halten, bis der nächste kommt? Nicht froh sein, dass er nur bei bestimmten Kopfbewegungen auftritt, sondern jeden Tag -zigmal den Horror durchleben mit der "Eigentherapie"?
Nee, das tue ich mir nicht an. Ich warte lieber geduldig auf die nächste unangenehme Überraschung, die mein Körper parat hält und dann vergesse ich eh diesen Lagerungsschwindel ernst zu nehmen. Wahrscheinlich haben wir uns bis dahin schon angefreundet. 
Und diese Kügelchen im Ohr –die liegen weiterhin durcheinandergewürfelt da. Orientierungslos, wie sie sind, finden sie leider , nicht wie ich, wieder zurück in ihr eigenes Bett. Da könnte ich meinen Kopf noch so oft gegen die Wand schlagen.😁





2.7.25

Seelentausch


Der Zufall blickt aus meinem Fenster,
hängt sich an die Fersen
der Frau gegenüber.
Ich, in ihren Schuhen,
gehe an ihr vorbei,
sorglos wie nie,
dahin wo ich ihr nie mehr
begegnen werde.
Und sie schaut mir
aus meinem Fenster nach
mit meiner abgestumpften Trauer,
aus der sie nie erwachen könnte,
wenn ich nicht wieder
in mich zurückkehren würde
hinter meinen Fenster,
in meine Latschen,
die nie weiter kommen 
als unter den Tisch.

Lisa Nicolis

1.7.25

Das verborgene Licht


 
Ach, hätt’ ich wieder Zeit, hätt’ Muße,
mich mal im Inn’ren zu begehn,
da hab ’nen Optimist ich stehn.
Von ihm würd mir
zum frohen Gruße
ein Hauch von Licht herüber weh’n.


© Lisa Nicolis