24.6.19

Mein Tagebuch

Ich suche mich
im Knistern der vergilbten Blätter,
aus denen zäh die Worte fließen,
wie trübe Wachsperlen,
aus funzelhellen Wunden,
der Dunkelheit entlang.
Die Worte und Gefühle sich verweben
in schummerfarbnen, fremden Tönen
zu nebeligem Tand
aus fernen Tagen.
Bin ich das 
im zerschlissnen Tuch
gelebter Zeit?
Sah so mein Leben aus,
wie Buchstaben hier,
durcheinander wirbelnd,
Wort ergreifen?
Sind das hier meine Schritte,
die an den Schnörkeln
trockner Tinte schleifen?
Sporadisch finde ich
ein vages, fernes Ich,
verteilt auf vielen welken Seiten,
bestrebt, Erlebtes
in die Zukunft einzubringen,
um nicht das Ich
dem Ich ganz zu entfremden.
Verblättert liege ich im Buch, 
verstreut
im Klang der eignen Worte,
ich selbst, alleine mir zum Teil.
So bin ich heut,
zu späten Lebensstunden
mir fremd begegnet.

© Lisa Nicolis